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Landes­verteidigung

Europäische Lösungen für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik 

Mit dem russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 wurde das klar ersichtlich, was schon seit Jahren Tatsache ist: Die Bedrohungen für die Sicherheit der Unionsbürger:innen haben sich vervielfältigt und sind komplexer geworden. Internationaler Terrorismus, Cyberkriminalität, aber auch die Belastung staatlicher Strukturen durch große Flüchtlingsbewegungen sind Herausforderungen, die uns so bald nicht wieder verlassen werden. Das aggressive Verhalten Russlands, mit dem wir als Europäische Union eine Grenze teilen, sollte eigentlich seit der Krim-Invasion 2014 unbestreitbar gewesen sein, wurde aber aufgrund billiger Gaslieferungen übersehen; die expansionistische Haltung der Türkei unter dem autoritären Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bedroht Europa an der Peripherie; der anhaltende Krieg in Syrien mit der humanitären Katastrophe durch die Verdrängung von Millionen von Zivilist:innen bedroht die soziale Kohäsion bei uns und befeuert populistische Parteien, die viel Kritik aber keine Antworten haben. Die Europäische Union kann effektiver und effizienter sein, wenn sie im militärischen Bereich gemeinsam vorgeht. Nur wenn Europa im Bereich der Sicherheit seine Ressourcen zusammenlegt und mit einer statt 27 Stimmen spricht, können wir uns in der Welt behaupten und unsere Werte, unsere Art zu leben und unsere Sicherheit verteidigen.

Die 27 Mitgliedsstaaten geben 2023 zusammen 250 Mrd. Euro für Verteidigung aus (Österreich davon 3,3 Mrd.) und sind gleichzeitig militärisch notorisch schwach. Expert:innen gehen davon aus, dass bei engerer Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich ein Einsparungspotenzial in Milliardenhöhe jährlich möglich ist – oder aber bei gleichen Ausgaben eine merkliche Verbesserung der militärischen Kapazitäten.

Wir NEOS fordern eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Europäischen Union, die den Namen auch verdient. Als ersten Schritt setzen wir uns für die internationale Kooperation in der Luftraumverteidigung ein, weil es billiger und effektiver ist als eine husch-pfusch Halblösung des Eurofighter Fiaskos. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf EU-Ebene muss gestärkt werden und in Österreich muss es, um sich sinnvoll und als echter Partner in die europäische Verteidigung einbringen zu können, eine stufenweise Erhöhung des Bundesheerbudgets geben. Um dieses Ziel zu erreichen braucht Österreich eine neue Sicherheitsstrategie. Die jetzige, aus 2013, stammt aus einer anderen sicherheitspolitischen Ära und ist dringendst überholungsbedürftig.

Dafür setzen wir uns ein:

Schritt für Schritt zur Europäischen Armee

Bedrohungen für die Sicherheit in der Welt sind nicht mehr nur regional, sondern global spürbar. Terrorismus oder Cyberkriminalität machen nicht vor nationalen Grenzen halt. Instabilität an der Peripherie Europas führt zu Bedrohungen, Migration und Abhängigkeiten von globalen Akteuren, die oft nicht Europas Interessen vertreten oder unsere Werte teilen. Die Union muss sich zu selbstbewussten und verteidigungsfähigen Vereinigten Staaten von Europa entwickeln, um in der Welt ernst genommen zu werden. Nur dann können wir unsere europäische Art zu leben und unsere europäischen Freiheiten nachhaltig sichern. Alle innereuropäisch bestehenden Harmonisierungs- und Integrationsmöglichkeiten im Sicherheits- und Verteidigungsbereich sind voll auszunutzen.

Dringend erforderlich sind unter anderem eine gemeinsame und gemeinsam finanzierte Überwachung und Sicherung des europäischen Luftraums – und zwar gegen Kampfflugzeuge, aber heutzutage noch wichtiger, gegen Raketen und Drohnen. Damit wäre die Anschaffung eigener österreichischer Abfangjäger überflüssig. Effektive Luftraumüberwachung und -Verteidigung braucht Kapazitäten, die Österreich weder finanziell noch geografisch bieten kann, wie Radarstationen tausende Kilometer voneinander entfernt, Satelliten und andere integrierte Technologien. Gemeinsame Luftraumüberwachung wird in Europa bereits praktiziert, wie z.B. in den Benelux Staaten oder in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die alle drei über keine eigene Luftwaffe verfügen, sondern ihren Luftraum sehr effektiv von NATO Partnern verteidigen lassen – sich aber im Gegenzug mit anderen Waffengattungen solidarisch in die gemeinsame Verteidigung einbringen.

Der nächste Schritt ist die Integration der Kommandostrukturen bei EU-Missionen. Langfristig ist eine Europäische Freiwilligenarmee unter gemeinsamer politischer Führung, gemeinsamem Oberbefehl und parlamentarischer Kontrolle das Ziel, um die europäische Souveränität zu jedem Zeitpunkt sichern und verteidigen zu können. Diese Europäische Armee soll aus Berufssoldat:innen bestehen. Die Wehrpflicht in Österreich soll der Vergangenheit angehören.

Öffnung des Österreichischen Bundesheeres für EU-Bürger:innen

Während die europäischen Streitkräfte fast ausnahmslos an Personalknappheit leiden, können potenzielle europäische Soldat:innen wegen ihrer Lebenssituation weder in ihrem Heimatland noch in ihrem Gastland dienen. In Österreich leben aktuell 655.200 Personen aus anderen EU-Staaten. Ein nennenswerter Anteil davon könnte grundsätzlich im österreichischen Bundesheer dienen, wenn dies die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlaubten. Hinzu kommt, dass österreichische Werte und Interessen in der Sicherheitspolitik sich heutzutage kaum noch von europäischen trennen lassen. Auslandseinsätze werden auf europäischer Ebene gemeinsam bestritten. Ein:e im österreichischen Bundesheer dienende:r Deutsche:r, Slowen:in, Tschech:in oder Dän:in ist somit kein:e Söldner:in, sondern ein:e europäische:r Soldat:in. Die Öffnung des Österreichischen Bundesheeres für Bürger:innen anderer EU-Staaten mit einer Mindestaufenthaltsdauer in Österreich ist deshalb ein kleiner, aber richtiger Schritt auf dem Weg zu effizienter Kooperation im Verteidigungsbereich.

Eine neue Österreichische Sicherheitsstrategie – Umrüsten statt Nachrüsten

Das Österreichische Bundesheer ist chronisch unterfinanziert. Wie der Verteidigungsminister der Übergangsregierung von 2019, Thomas Starlinger, drastisch dargestellt hat, kann das Bundesheer kaum seine Substanz erhalten. NEOS haben sich für eine stufenweise Erhöhung des Bundesheerbudgets eingesetzt und unterstützen die Anhebung im Finanzrahmen 2023-26 auf etwa 1%. Diese Erhöhung kommt im Zeitraum des Finanzrahmens 2023-26 einer zusätzlichen Mittelbereitstellung von etwa 16 Milliarden Euro gleich. Während wir die zusätzlichen Gelder begrüßen, stehen wir gleichzeitig für einen verantwortungsbewussten Einsatz dieser Steuergelder.

Die Bundesregierung spricht in diesem Zusammenhang gerne "nicht von Aufrüstung, sondern Nachrüstung." Das ist der falsche Zugang. Nachrüsten bedeutet, den Investitionsrückstand der letzten Jahrzehnte aufzuholen. Aber das Bundesheer der 2020er Jahre und darüber hinaus benötigt weder die Strukturen noch das Gerät der letzten Jahrzehnte. Die Welt hat sich weitergedreht, die Sicherheitsrisiken haben sich verändert (wie die Ministerin bei der jährlichen Vorstellung des Risikobildes immer betont).

Die Landesverteidigungsstrategien aus dem Kalten Krieg, für die ein Milizheer vielleicht sinnvoll war, müssen Platz machen für ein professionelles Heer, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen kann. Auch dürfen Prestigeprojekte einzelner Minister:innen nicht Vorrang vor dringend notwendigen Investitionen in die Quartiere der Soldat:innen und die Erneuerung grundlegender Ausrüstung (z.B. Fahrzeugflotte des Bundesheeres, Drohnen und Drohnenabwehr) haben.

Also brauchen wir weder Aufrüsten noch Nachrüsten, sondern Umrüsten. Und dafür brauchen wir eine neue Österreichische Sicherheitsstrategie. Die derzeitige ÖSS stammt aus den Jahren 2011-2013 (von Ausarbeitung bis Verabschiedung) und reflektiert die Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr. Ohne neue ÖSS kann niemand im Ministerium schlüssig sagen, welche Systeme und Strukturen mit den nun vorhandenen 16 Milliarden in den nächsten Jahren beschafft werden sollen, d.h. wie unser Steuergeld zweckdienlich zur Verbesserung der nationalen Sicherheit eingesetzt werden kann. 

Das Österreichische Bundesheer arbeitet tagtäglich an der Bedrohungslage. Die für eine neue ÖSS nötigen Ableitungen könnten in wenigen Wochen am Tisch liegen. Dennoch lehnt die Regierung den NEOS Antrag für die sofortige Erarbeitung einer neuen ÖSS ab. Diese Politik ist unverantwortlich und spielt mit der Sicherheit unseres Landes. 

Beendigung des verfassungswidrigen Assistenzeinsatzes an der österreichischen Grenze

Der 2015 als Konsequenz der beschlossenen Grenzkontrollen gestartete Assistenzeinsatz des Österreichischen Bundesheeres an der Süd- und Ostgrenze Österreichs ist teuer und mittlerweile eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme, die von Expert:innen sowie dem Rechnungshof als verfassungswidrig eingestuft wird. Hunderte Soldat:innen, einschließlich noch nicht fertig ausgebildete Grundwehrdiener, stehen im Assistenzeinsatz vor Botschaften oder an den Grenzen und vernachlässigen damit ihre wirklichen Aufgaben. Zusätzlich sind selbstverständlich auch noch Sicherheitskräfte der Österreichischen Bundespolizei und des Grenzschutzes im Einsatz. Der finanzielle Aufwand steht in keiner Relation zu den Zahlen der illegalen Grenzübertretungen aus Ungarn und Slowenien, wo die österreichischen Grenzkontrollen bestehen. 2018 kam auf einen im Assistenzeinsatz an der Grenze eingesetzten Soldaten nicht einmal ein aufgegriffener Flüchtling. Angesichts dieser Zahlen ist es völlig unglaubwürdig, von einer Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit zu sprechen, die die Verlängerung von Grenzkontrollen verfassungsrechtlich rechtfertigen würde. Zudem verkürzt jeder Tag Assistenzeinsatz während der Grundausbildung den ohnehin knapp bemessenen Zeitraum, in dem Grundwehrdiener tatsächlich ausgebildet und auch für andere Einsätze tauglich gemacht werden können.

NEOS stehen für eine Beendigung der teuren und verfassungswidrigen Assistenzeinsätze und verlangen eine Fokussierung auf die tatsächlichen Aufgaben des Bundesheeres – bei gleichzeitiger Verbesserung des Zivil- und Katastrophenschutzes in den zuständigen Ministerien.

Erhalt der Truppenstärke Österreichs in der Schwerpunktregion Westbalkan

Das Bundesheer ist derzeit mit fast 600 Soldat:innen in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo im Einsatz (Die neuesten Details gibt es hier). Es sind die zwei größten Auslandseinsätze Österreichs. Im Kosovo beteiligt sich Österreich an der Mission KFOR mit derzeit 299 Soldat:innen, in Bosnien-Herzegowina an der EU-Mission EUFOR ALTHEA mit derzeit 277. Eine Verschlechterung der Sicherheitslage so nahe an Österreichs Grenzen, auch durch ständige russische Einflussnahme, könnte umgehend auch Österreich betreffen. NEOS setzen sich also für eine Beibehaltung oder Verstärkung des Engagements in dieser Schwerpunktregion des österreichischen Bundesheeres ein, bis deutliche Verbesserungen in der Region bemerkbar sind und die jeweiligen Sicherheitskräfte selbst für Sicherheit sorgen können.

Eine nachhaltige Lösung für die Luftraumsicherung

Österreichs Luftraumüberwachung ist das Resultat von Kompromissen und schlechten Lösungen. Luftraumverteidigung ist überhaupt nicht möglich. Derzeit verfügt Österreich über 15 Überschalljets des Typs Eurofighter, wovon im Schnitt vier zu jedem gegebenen Zeitpunkt einsatzfähig sind. Die nach vielen Nachverhandlungen und Budgetreduzierungen gekaufte Variante ist alt, nicht nachtkampftauglich und in zu geringer Stückzahl vorhanden, um den Luftraum effektiv sichern zu können. Seit dem Ausscheiden des Unterschallfliegers des Typs Saab-105 (Flugkosten pro Stunde unter 6000 Euro) muss nun ein Eurofighter (Flugkosten pro Stunde über 60.000 Euro) aufsteigen, z.B. Privatflieger ohne Transponder zu beobachten. Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung (welcher Nachbar würde bei uns einfallen?) wäre die Eurofighterflotte inadäquat.

Mit der Erhöhung des Verteidigungsbudgets 2023 werden Stimmen nach mehr Eurofightern, nach Aufrüstung der bestehenden Maschinen und nach einem zweiten, billigeren Modell, also einer Saab-105 Nachfolge, zur Luftraumüberwachung, laut. Andere kleine Staaten in Europa zeigen allerdings, wie es besser gehen kann. Die Benelux Staaten überwachen ihren Luftraum gemeinsam, und die baltischen Staaten sowie Slowenien haben gar keine eigenen Luftwaffen, sondern sparen viel Geld, indem sie sich die Infrastruktur ersparen und die Überwachung von Partnerstaaten durchführen lassen. Die Ersparnisse können sie dann für eine Stärkung anderer Waffengattungen einsetzen. So sind die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen keinesfalls pazifistisch, sondern in die Verteidigung der nordöstlichen Grenze der Europäischen Union eingebunden. Dafür geben sie auch gutes Geld aus, aber eben nach genau definierten Kriterien der effizienten Mittelverwendung.

Die österreichische Bundesregierung scheint nun bereit zu sein, an der europäischen Raketenverteidigung Sky Shield teilzunehmen. Eine Verteidigung gegen Mittel- oder Langstreckenraketen wäre für Österreich alleine völlig unmöglich. Gleichzeitig erklärt die Verteidigungsministerin aber, dass die Verteidigung des Luftraums durch die österreichische Luftwaffe weiterhin selbstständig gewährleistet sein muss. Wo aber liegt der Unterschied, ob man feindliche Raketen oder feindliche Flugzeuge gemeinsam abwehrt – vor allem, wenn man als EU-Binnenstaat nicht in Gefahr geraten kann, dass feindliche Jets oder Raketen den heimischen Luftraum bedrohen ohne zuerst über befreundete EU-Staaten fliegen zu müssen?

Dieser sinnentleerten Position liegt eine völlig veraltete und unrealistische Interpretation der Neutralität zugrunde. NEOS fordern eine gemeinsame Luftraumüberwachung und -Verteidigung mit europäischen Partnersaaten, wie in der Verfassung durch den EU-Beitritt seit 1995 zugelassen. 

Douglas Hoyos

Douglas Hoyos

NEOS-Generalsekretär | Vorsitzender im Rechnungshofausschuss | NEOS-Sprecher für Landesverteidigung, Digitalisierung, Netzpolitik und Telekom | Abgeordneter zum Nationalrat

Die Europäische Union kann effektiver und effizienter sein, wenn sie im militärischen Bereich gemeinsam vorgeht. Nur wenn Europa im Bereich der Sicherheit seine Ressourcen zusammenlegt und mit einer statt 27 Stimmen spricht, können wir uns in der Welt behaupten und unsere Werte, unsere Art zu leben und unsere Sicherheit verteidigen.

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FAQs zur Landesverteidigung:

Ja, in letzter Konsequenz schon. Voraussetzung ist jedoch eine echte gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP bzw. GSVP) in der EU. Die Vorteile einer gemeinsamen europäischen Freiwilligen-Armee liegen auf der Hand: 27 europäische Armeen produzieren momentan Doppelgleisigkeiten und unnötige Verschwendungen. Die Europäer budgetieren im Jahr 2023 rund 250 Mrd. Euro für ihre 27 Heere. Das ist etwa ein Drittel der U.S. Verteidigungsausgaben, aber ein Bruchteil der Leistungsfähigkeit. Ein EU-Heer kommt jedoch nicht von heute auf morgen zustande. Es ist vielmehr das Ziel nach vielen Zwischenschritten, die in erster Linie Koordination, Kooperation, gemeinsame Forschung und Beschaffung, und die Steigerung von Effizienz und Effektivität in der Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten und beim Katastrophenschutz bringen werden.

Die Neutralität stammt aus einer Zeit, die mit den heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht vergleichbar ist. Zwischen einem aggressiv agierenden Russland, einem sich immer mehr nach Asien wendenden Amerika, und einem ständig aufrüstenden China ist es im Interesse der europäischen Sicherheit, in die gemeinsame Verteidigung zu investieren.

Österreich hat sich beim EU-Beitritt 1995 zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bekannt. Innerhalb der EU muss Österreich solidarisch sein, trotz der Neutralität. Das wurde bereits durch Judikatur bestätigt. Die Neutralität und die GSVP sind verfassungsrechtlich miteinander vereinbar.

Auch war Österreich niemals politisch-moralisch neutral. Völkerrecht ist Teil österreichischen Rechts, eine Völkerrechtsverletzung daher auch eine Verletzung der österreichischen Verfassung. Wenn die Vereinten Nationen einen Völkerrechtsbruch feststellen, ist die Neutralität nicht anzuwenden. Zudem gibt es Konflikte auf der Welt, humanitäre Katastrophen, drastische Verletzungen der Menschenrechte, denen man auch moralisch nicht neutral gegenüberstehen kann.

Die Solidarität innerhalb der EU und der gemeinsame Einsatz für den Frieden und die Achtung der Menschenrechte zählen heute mehr als die nationale Neutralität. Für Österreich und das Bundesheer bedeutet das, ebenfalls einen Beitrag zu leisten und sich stärker in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas zu engagieren. Den europäischen Frieden und unser aller Sicherheit können wir nur gemeinsam sichern.

Nein. Für NEOS geht es immer um eine europäische Verteidigungsunion, damit Europa die eigene Handlungsfähigkeit, Unabhängigkeit und Freiheit auch ohne z.B. die USA verteidigen kann. Zusätzlich engagiert sich Österreich seit 1995 in der NATO im Rahmen der Partnership for Peace. EU wie auch NATO Missionen bedeuten einerseits Ausbildung für die österreichischen Soldat:innen und Teilnahme an Missionen zur humanitären Hilfe und zur Friedenserhaltung wie z.B. Österreichs Beitrag zur KFOR (Kosovo Force) oder der EUFOR-ALTHEA in Bosnien&Herzegowina, wo Österreich sogar seit vielen Jahren den Kommandanten stellt.

Fakt ist, dass es in der EU-Nachbarschaft bewaffnete Konflikte gibt, die sich auch auf Europa, auch auf Österreich auswirken (siehe Flüchtlingskrise, siehe Ukraine). Nur weil Österreich nicht an einer EU-Außengrenze liegt, heißt das nicht, dass uns diese Konflikte nichts angehen und sie ausschließlich das Problem der angrenzenden Staaten sind. Auch wenn momentan niemand Österreich als Staat angreift, heißt das nicht, dass unsere Sicherheit, unser Wohlstand und unser Frieden nicht durch diese Konflikte bedroht ist.

Eine echte Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) hätte darüber hinaus vor allem einen hohen finanziellen Nutzen, von dem auch Österreich profitieren würde. Die 27 Mitgliedsstaaten geben 2023 zusammen 250 Milliarden Euro für Verteidigung aus und sind gleichzeitig militärisch notorisch schwach und für viele Missionen von den USA abhängig. Dabei wird grundsätzlich nicht zu wenig Geld ausgegeben, sondern nur zu viel damit verschwendet, alles 27-fach zu kaufen, statt gemeinsam zu nutzen.

Bsp.: die österreichische Luftraumüberwachung könnte gemeinsam europäisch organisiert werden. Dann bräuchte Österreich keine eigenen Abfangjäger. Bei der Größe des österreichischen Luftraums ist die Beschaffung und Erhaltung der Infrastruktur für eine eigenständige Luftwaffe extrem teuer und frisst in die Budgets der anderen Waffengattungen, bringt mit 15 Abfangjägern aber praktisch keinen militärischen Gewinn.

Wir wollen eine europäische Freiwilligenarmee. Das bedeutet, jede:r der/die einrückt, tut dies aus freien Stücken und im Bewusstsein, wofür man sich meldet. Österreich beteiligt sich bereits jetzt an EU-, UN- und Partnership for Peace-Einsätzen im Ausland zur Friedenssicherung, im Rahmen von Ausbildungsmissionen und im Katastrophenschutz. Gemäß den EU-Verträgen könnte Österreich bereits jetzt an europäischen Kampfeinsätzen teilnehmen, so diese notwendig werden sollten.

Darüber hinaus ist das Österreichische Bundesheer gut ausgebildet und in manchen Bereichen – wie beim Gebirgskampf – sogar best practice Beispiel. Diese Fähigkeiten sollten wir der Europäischen Union im Interesse unserer eigenen Sicherheit zur Verfügung stellen. Dazu kommt: Wenn Europa schwach ist, und Diktatoren an unseren Grenzen, wie etwa Vladimir Putin, Kriege näher an unsere Grenzen heranbringen, werden Österreicher:innen irgendwann wirklich kämpfen müssen. Nichts verhindert Krieg besser als eine Armee, die einen Aggressor abschrecken kann.

Die Europäische Armee braucht ein einheitliches Kommando, das bedeutet einen europäischen Generalstabschef. Der gegenwärtige höchste EU-General ist ein Österreicher, General Robert Brieger. Gleichzeitig treten wir für eine starke Kontrolle der EU-Armee durch das Europäische Parlament ein. Einsätze müssen demokratisch legitimiert sein.

Die Wehrpflicht in Österreich soll der Vergangenheit angehören. Im 21. Jahrhundert ist Krieg eine derart komplexe Sache geworden, dass sie nicht von Menschen bewältigt werden kann, die sechs Monate üben und dann abrüsten. Wir sehen gerade, wie die kleine, aber professionelle ukrainische Armee die um vieles größere russische an vielen Fronten besiegt. Österreich braucht eine Armee von Freiwilligen, die gemeinsam mit Kamerad:innen aus ganz Europa unseren Kontinent, unsere Werte, unsere Demokratie und Freiheit, und damit unseren Wohlstand verteidigen.

Die Permanente Strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO) ist ein Schritt in Richtung mehr europäische Verteidigungskooperation. Sie ist eine Liste von Projekten zu verschiedenen Fragestellungen der Verteidigung (gemeinsame Beschaffung, Kompetenz-Sharing, Mobilität etc.), auf die sich die Mitgliedstaaten geeinigt haben. Staaten können freiwillig an den Projekten teilnehmen. Das ist ein guter Schritt, den wir sehr unterstützen, jedoch ist es noch nicht unsere Idealvorstellung einer effektiven und effizienten europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dafür braucht es etwa gesamteuropäische Kommandostrukturen und gemeinsame Beschaffung von Ausrüstung.

Laut Schengener Grenzkodex dürfen Mitgliedstaaten temporär (!) bei essenzieller Bedrohung für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung Grenzkontrollen einführen. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes last resort Mittel (letztes Mittel), das nur im Notfall und unter dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit anzuwenden ist. Die Kommission kann in solchen Fällen kein Veto einlegen, nur ein Statement abgeben. Österreich hat seine temporären Grenzkontrollen schon mehrmals verlängert, immer mit der Begründung der Flüchtlingskrise. Frontex-Zahlen zufolge kamen dieses Jahr deutlich weniger Flüchtlinge über das Mittelmeer als noch zuletzt. Es ist also einigermaßen absurd und unverhältnismäßig in dieser Situation weiterhin diese Einschränkung der Reisefreiheit – eine der vier Grundfreiheiten und damit eine wesentliche Säule des Schengener Abkommens – beizubehalten.

NEOS setzen sich für mehr europäische Kooperation bei der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ein. Die Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds halten wir daher für sehr sinnvoll. Je mehr im Bereich der Verteidigung europäisch gemacht werden kann, desto weniger Doppelung gibt es in den Mitgliedstaaten in diesen Bereichen, was auch Geld einspart. Es ist auch zu bedenken, dass europäische Soldat:innen im In- und Ausland eine Vielzahl an Aufgaben wahrnehmen und dafür möglichst gut ausgebildet und ausgerüstet sein sollen.

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