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Lehrkräfte berichten: "Die Pädagogik tritt in den Hintergrund."

NEOS TEAM
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Im Zuge unserer Petition gegen zu viel Bürokratie an Schulen haben uns zahlreiche Erfahrungsberichte erreicht. Lehrkräfte wie auch Eltern erzählen darin über ein Bürokratiemonster, das an Schulen tobt und ihnen Zeit frisst, die sie für ihren eigentlichen Job benötigt hätten: den Unterricht und die persönliche Betreuung des Kindes. Die Situation an Schulen bleibt also angespannt. Welche Belastung die Bürokratie für Lehrende darstellt, kannst du hier anhand einiger Beispiele nachlesen.

Die Einsendungen wurden alle anonym eingereicht. Auf der NEOS-Plattform "Erzähl uns deine Geschichte zur Bürokratie an Schulen" haben wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unserer Petition darum gebeten, uns von den bürokratischen Herausforderungen an Schulen zu erzählen.

"Sinnlose Formulare rauben uns Zeit"

Der Lehrberuf ist weit mehr als Unterrichten. Ein beträchtlicher Teil unseres Arbeitsalltags besteht darin, die Schule weiterzuentwickeln, eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, auf Social Media aufzutreten und angesichts der angespannten Personalsituation auch Employer Branding Konzepte umzusetzen, um Interessierte vom Job zu überzeugen. Es hat sich also viel getan – dadurch entstehen Chancen, aber auch Herausforderungen. Zu viele sinnlose Formulare und unausgegorene Computerprogramme rauben uns Nerven und Zeit, die wir besser für die individuelle Betreuung oder die Kommunikation mit den Eltern investiert hätten. Beispielsweise mussten wir im Zuge der Ukraine Flüchtlingswelle berichten, wie viele ukrainische Flüchtlinge in den Klassen und wie viele davon weiblich sind. Jede Woche! Seit etwa zwei Jahren haben wir eine administrative Hilfskraft, wodurch es in gewissen Bereichen eine Entlastung gab. Ich bin enorm froh, dass wir nun extra Unterstützung bekommen. Mittelfristig wünsche ich mir aber moderne, kooperative Führungsstrukturen. Was in Mittelbetrieben mit einer Belegschaft in derselben Größe selbstverständlich ist, sollte meiner Meinung nach auch in Schulen gelten. Ein mittleres Management wie in Unternehmen ist dringend notwendig, um den neuen Anforderungen, die Schulen heute erfüllen müssen, gerecht zu werden. Dass eine Direktorin oder ein Direktor 60 Lehrkräfte alleine führen muss, ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

"Es bleibt kaum noch Zeit für die Kinder"

Mit Beginn der Sommerferien haben insgesamt 13 Lehrkräfte die Schule verlassen, in der ich auch tätig bin. Nur eine davon wegen einer Pensionierung. Die Bürokratie und alles drum herum ist einfach zu heftig geworden. So viele sinnlose Abfragen seit Corona und dem Kriegsbeginn in der Ukraine. Ein enormer Mehraufwand für uns Lehrerinnen und Lehrer. Es bleibt kaum noch Zeit für die Kinder. Wir müssen eigene Laptops verwenden weil wir keine Dienstlaptops bekommen. Unzählige unsinnige Konferenzen mit Arbeitsgruppen kosten zusätzlich Zeit. Weil unsere Assistenzkraft in zwei weiteren Schulen tätig ist, fehlt ihr die Zeit beispielsweise die Entschuldigungen der Eltern für kranke Kinder entgegenzunehmen, das müssen die Klassenvorstände früh morgens selber erledigen, aber die haben ja noch andere Dinge für die Kinder vorzubereiten. Ich bin eigentlich aus ganzem Herzen Lehrkraft geworden, weil ich Kindern etwas auf ihren Lebensweg mitgeben wollte. Die Briefe am Ende des Schuljahres, die ich von den Schülerinnen und Schülern bekomme, die die Schule abgeschlossen haben, geben mir immer wieder Kraft weiterzumachen. Aber es ist hart.

"Der Bildungsminister sollte sich schämen, mit seinen Angestellten so umzugehen!"

Ich bin nach der Karenz meiner Tochter im Februar 2019 wieder in den Schuldienst eingestiegen. Geendet hat es 2020 mit einem Burnout und das mit 30 Jahren. Der Papierkram ist der absolute Horror: Listen hier, Listen da, Konferenzen vor Unterrichtsbeginn, Konferenzen nach Unterrichtsschluss. Wir sind ein Lehrerteam von 17 Lehrerinnen und Lehrern. Davon hatten seit Corona drei eine Depression, die anderen sind im Krankenstand, immer wieder, weil sie nicht mehr können. Keine Unterstützung von oben, keine Unterstützung vom Bildungsministerium oder den Bildungsdirektionen. Drei Klassenlehrer fehlen. Die Antwort: Strukturiert intern um, löst Sprachförderklassen auf, nehmt den Integratinoslehrer aus der Klasse, Direktorin soll Stunden halten, Rest soll suppliert werden. Was verbringen wir Zeit am PC wegen: Kinderlisten, Blackoutlisten, Elternbefragungen, Buslisten, Geldlisten, Fotografenlisten. Und das Größte: diese "beknackten" Kompetenzlisten, wo es schon ewig heißt: Es kommen einheitliche Listen (das heißt es schon Jahre lang, zu Schulanfang und im Semester und Jahresende haben wir noch immer keine). Da heißt es dann: Wir haben sowas nie gesagt oder wir haben keine Kapazitäten dies zu machen. Ich als Lehrerin von 17 Kindern mache meine Arbeit gewissenhaft, aber: ich sitze bei den Kompentenzlisten und zur Vorbereitung der Elternsprechtage zig Stunden (für jedes Kind mindestens 1,5h).

Thema Digitalisierung: Das Lehrpersonal ist relativ "alt" und die Kinder/Jugendlichen heutzutage sind viel besser versiert als wir. Klar ist Digitalisierung ein Thema in unserer Gesellschaft. Die Schule soll digitalisiert werden: Bin dabei! Weg mit den Landkarten usw. Am PC/Beamer kann ich das super machen und bin sofort bereit, spontan auf Fragen der Kinder zu reagieren, indem wir uns das im Internet suchen. So bleibt Unterricht interessant. Fakt ist: Für Beamer ist kein Geld, die Direktorin muss Sponsoren suchen, die uns unterstützen möchten. Gemeinde hat kein Geld für sowas. Und ein PC für Lehrkräfte? Na sowas gibts nicht, da muss man schon seinen eigenen privaten nehmen. Nirgendwo in der Privatwirtschaft würde jemand sowas von seinen Angestellten verlangen. Haben wir im Lehrerzimmer einen eigenen Schreibtisch: Fehlanzeige. Haben wir PCs für Lehrkräfte? Ja, einen PC und einen Drucker für 17 Lehrkräfte. Soll ich noch weiter erzählen wie es dann ist, wenn alle die Noten eintragen möchten fürs Semester- oder Jahreszeugnis? Ich musste mehrmals bereits um 6 Uhr morgens oder nach 20 Uhr abends in die Schule fahren, damit ich die Noten eintragen kann. Und in der Zeit muss ich schauen, dass ich mein Kleinkind irgendwo unterbringe. Es ist einfach nur schrecklich. Der Bildungsminister sollte sich schämen, mit seinen Angestellten so umzugehen und dann in der Öffentlichkeit noch alles als "super" hinzustellen. Chaos an den Schulen, erreichbar ist Polaschek sowieso nicht und man bekommt ein "regelt euch das selbst".

"Die Pädagogik tritt in den Hintergrund!"

Es werden Listen doppelt und dreifach geführt, da – aufgrund der Datenschutzgrundverordnung – von der Bildungsdirektion an andere Stelle erhobene Zahlen nicht weitergeleitet werden dürfen, somit werden die gleichen Daten nicht an eine Stelle verschickt sondern an drei. Wenn ein Anliegen an die direkt höhere Instanz geleitet werden soll, brachte das früher jemand per Rad zum Büro der Außenstelle, nun wird dieses Schriftstück nach St. Pölten geschickt, dort wird ein Akt angelegt und dann wird das gleiche Schriftstück wieder per Post an die zuständige Stelle versendet. Als Lehrer fragt man sich, wie viele Bürostellen einfach mit solchen Tätigkeiten besetzt sind. Momentan tritt die Pädagigk in den Hintergrund und die Bürokratie und Justiz in den Vordergrund (Noteneinspruch, Sonderpädagogischer Förderbedarf… da muss alles juristisch passen, egal ob es zum Wohl des Kindes ist oder nicht). Es läuft sehr viel schief im Bildungssystem.

"So kann es nicht weitergehen"

Meine Schwiegermama arbeitet seit über 20 Jahren als Lehrerin und sie ist die engagierteste und kompetenteste Lehrkraft die ich bisher kennenlernen durfte. Sie hat ein unglaubliches Händchen für ihre Klassen. Vor einigen Tagen ist die Menge an unbrauchbarer Bürokratie ihr jedoch zu Kopf gestiegen - so habe ich sie noch nie gesehen, in Tränen aufgelöst, weil alles zu viel wird, weil viel zu viel erwartet wird, auch ihren Kolleg:innen geht es nicht anders - so kann es nicht weitergehen! Lehrkräfte brauchen mehr Unterstützung!

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