Bedingungsloses Grundeinkommen
Das bedingungslose Grundeinkommen, kurz BGE, ist ein Konzept, das vorsieht, dass alle Menschen monatlich eine finanzielle Unterstützung in einheitlicher Höhe bekommen, um ihre grundlegenden Bedürfnisse decken zu können.
Was ist ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein Konzept, dass vorsieht, dass jede:r Bürger:in eines Landes ein bestimmtes Einkommen erhält, ohne dafür arbeiten oder bestimmte Bedingungen erfüllen zu müssen. Es ist ein regelmäßiger, monatlicher oder jährlicher Betrag, der jedem:jeder Bürger:in unabhängig von Einkommen, Beschäftigung oder sozialem Status zusteht. Anders als Sozialleistungen in Österreich oder das Bürgergeld in Deutschland ist das bedingungslose Grundeinkommen – wie der Name schon sagt – an keine Bedingungen geknüpft.
Was sind die Vorteile eines bedingungslosen Grundeinkommens?
Das österreichische Sozialsystem ist sehr komplex und besteht aus vielen verschiedenen Leistungen, deren Bezug an unterschiedliche Anforderungen geknüpft ist. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde in vielerlei Hinsicht eine Vereinfachung bedeuten und mit einigen Vorteilen einhergehen, dazu zählen unter anderem:
- Weniger Bürokratie durch simplifiziertes Sozialsystem
Da das BGE lediglich an die Voraussetzung einer Hauptwohnsitzmeldung in Österreich gebunden ist und sämtliche andere Überprüfungen und Nachweise entfallen, reduziert sich ein Teil des staatlichen Verwaltungsaufwands. Das Konzept des BGE würde einige Sozialleistungen ablösen, diese jedoch nicht kürzen und somit zu weniger Bürokratie führen. - Reduzierung der Armutsgefährdung
Das BGE wird als Instrument gesehen, um soziale Ungleichheit und Armut zu verringern. Durch das BGE soll für alle Menschen sichergestellt sein, den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das führt zu einer Reduzierung von Existenzängsten und ermöglicht mehr individuelle Freiheit. - Berufliche Selbstverwirklichung
Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde Menschen die Möglichkeit geben, einer Arbeit nachzugehen, die ihren Interessen und Fähigkeiten entspricht. Das BGE gibt finanzielle Sicherheit, wodurch Menschen sich freier entwickeln können. - Wertschätzung für Nichterwerbsarbeit
Viele Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, leisten dennoch einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft: Care-Arbeit, ehrenamtliche Tätigkeit, Forschung, künstlerische Tätigkeit. In unserem derzeitigen System steht das Einkommen in keiner Relation zum Dienst an der Gesellschaft. Besonders Frauen verrichten viel unbezahlte Arbeit.
Welche Nachteile bringt das bedingungslose Grundeinkommen mit sich?
Die negativen Auswirkungen des bedingungslosen Grundeinkommens auf Gesellschaft und Wirtschaft werden viel diskutiert. Welche Nachteile das BGE tatsächlich haben kann, hängt vor allem von der genauen Ausgestaltung des Konzepts ab. Zu den Nachteilen eines BGEs zählen:
- Steigende Arbeitslosenrate und geringere Wirtschaftsleistung
Durch das BGE müssten Menschen nicht mehr arbeiten gehen, um zu überleben. Der Freiwilligkeitsgedanke des Faktors Arbeit rückt in den Vordergrund und kann dazu führen, dass viele offene und vor allem unliebsame Stellen nicht besetzt werden. Das würde negative Auswirkungen auf die Produktivität und Wirtschaftsleistung Österreichs haben und gleichzeitig die Steuereinnahmen reduzieren. - Erhöhung der Steuersätze
Reduzieren sich die staatlichen Steuereinnahmen, könnte der Staat auf die Erhöhung von Steuersätzen zurückgreifen, um das BGE überhaupt finanzieren zu können. Den Bürger:innen würde somit monatlich netto weniger übrig bleiben. Das kann zu einer Reduzierung der Kaufkraft und Investitionsbereitschaft führen. - Nachlassende Leistung und Motivation
Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens kann auch dazu führen, dass für Menschen nicht genügend Anreiz besteht, einer Ausbildung oder Arbeit nachzugehen. Somit sinkt nicht nur das Arbeitskräfteangebot, sondern auch die Nachfrage an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Mit welchen staatlichen Kosten ist das Grundeinkommen verbunden?
Die Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht festgelegt, es muss jedoch ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Unter Annahme eines BGEs in der Höhe von 1.000 Euro pro Person ergeben sich für Österreich jährliche Staatsausgaben in der Höhe von 108 Mrd. Euro. Die Staatseinnahmen Österreichs betrugen im Jahr 2022 inklusive aller Steuereinnahmen und Sozialleistungen 194,8 Mrd. Euro. Damit werden jedoch nicht ausschließlich Sozialleistungen, sondern auch Gesundheitsleistungen, das Bildungssystem, die Infrastruktur, die zentrale Verwaltung, die öffentliche Sicherheit und weitere Staatsausgaben finanziert.
Zur Finanzierbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens müssen sich somit die Staatseinnahmen erhöhen. Die verschiedenen Finanzierungsmodelle eines bedingungslosen Grundeinkommens sehen die Finanzierbarkeit in Steuererhöhungen begründet.
Zu welchen Ergebnissen kamen Pilotprojekte?
Bisher durchgeführte Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Aussagekraft ist aber beschränkt, weil all diese Studien nicht simulieren können, wie es die Gesellschaft als Ganzes verändern würde, wenn alle Zugang zu einem Grundeinkommen hätten.
- Eine aktuelle Studie aus den USA scheint die positiven Effekte eines BGE weitgehend zu widerlegen: 1.000 zufällig ausgewählte Niedrigverdiener:innen in Kalifornien und Florida bekamen drei Jahre lang 1.000 Dollar im Monat, die an keinerlei Bedingungen geknüpft waren. Die Proband:innen verbrachten weniger Zeit mit Erwerbsarbeit, dafür mehr mit Freizeitaktivitäten. Es konnten allerdings auch positive Effekte festgestellt werden: erhöhtes Interesse an unternehmerischen Aktivitäten und größere Risikobereitschaft. Jüngere Teilnehmer:innen reduzierten überwiegend ihre Arbeitszeit und nutzten die Zeit für Weiterbildung. Keinen Aufschluss gibt die Studie über die Auswirkung auf die persönliche Zufriedenheit der Teilnehmer:innen. (Eva Vivalt et. al., USA 2024)
- Überwiegend positive Effekte fand jedoch eine andere Studie aus den USA: Die Proband:innen verfügten über bessere finanzielle Absicherung, Nahrungsmittelsicherheit und arbeiteten häufiger Vollzeit als die Mitglieder der Kontrollgruppe. Außerdem konnten sie häufiger gewalttätige Partnerschaften verlassen, hatten ein besseres Verhältnis zur Nachbarschaft und konnten ihren Kindern mehr Aktivitäten finanzieren. (B.-K. Kim et al., USA 2024)
- Auch eine finnische Praxisstudie stellte positive Effekte auf Beschäftigung und Zufriedenheit fest: 2.000 zufällig ausgewählte erwerbslose Finn:innen erhielten für zwei Jahre jeweils 560 Euro im Monat. Stress und Depressionssymptome bei den Proband:innen gingen zurück, die Arbeitslosigkeit sank sogar leicht. (Kangas, Finnland 2024)
Ist die Einführung eines BGE in Österreich realistisch?
Keine Parlamentspartei in Österreich fordert das derzeit ernsthaft. Auf absehbare Zeit ist ein bedingungsloses Grundeinkommen in Österreich daher wohl nicht realistisch. Dennoch sollte man die Ergebnisse Studien und Pilotversuchen aufmerksam verfolgen und daraus gegebenenfalls Lehren ableiten.
NEOS-Position
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens lässt viele Fragen aufkommen, die sich nicht nur um die Finanzierung, sondern auch um die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und den Faktor Arbeit drehen. Was bedeutet existenzsichernd? Würde für die Menschen der Arbeitsanreiz fehlen? Führt das bedingungslose Grundeinkommen zu einer Inflation?
Gleichzeitig ist es Fakt, dass unser Sozialsystem überlastet sowie veraltet ist und eine Reform dringend notwendig ist. Die Maßnahmen und Förderungen müssen jenen Personen zugutekommen, die sie auch benötigen. Das schafft unser Sozialsystem leider bereits lange nicht mehr und die Profiteur:innen sind jene, die sich in diesem komplexen System am besten auskennen. Das hat mit Bedürftigkeit und Sozialstaat jedoch wenig zu tun.
Unsere Antwort auf die Überlastung des österreichischen Sozialsystems ist ein Bürger:innengeld, das den Staat entbürokratisiert und trotzdem einen individualisierten Bezug ermöglicht. Je nach Lebensbereich werden die verschiedenen Sozialleistungen in Module gegliedert. So stellen wir, die NEOS, auch die Bedarfsorientierung ins Zentrum des Sozialsystems Österreichs.
Zuletzt aktualisiert: 29.4.2025